Erläuterungen, Interpretation, Hintergrund:
1. Quelle
In einer umfangreichen autobiographischen Abhandlung Nietzsches mit dem Titel "Ecce homo" findet sich in dem Abschnitt "Die fröhliche Wissenschaft" ("la gaya scienza") aus dem Jahre 1882 (1887 erweitert) auch das kurze Gedicht "Sternen-Mora". Es ist enthalten im zweiten Teil des genannten Abschnitts, überschrieben "'Scherz, List und Rache'. Vorspiel in deutschen Reimen", der aus 63 kurzen Versdichtungen besteht. Unter der Nummer 63 ist das Gedicht "Sternen-Mora" aufgeführt.
2. Hilfen zur Interpretation
Das Verständnis der Verse "Sternen-Mora" (und des Gedichts "Ecce homo") wird erleichtert durch folgende (von vielen Menschen als ketzerisch empfundenen) Aussagen Nietzsches aus seinem grundlegenden Werk, das (wie das erwähnte Gedicht) den Titel "Ecce homo" trägt und über die grundsätzlichen Lebenseinstellungen des Verfassers Auskunft gibt:
- "Das Meisterstück in der Kunst der Selbsterhaltung [ist die] Selbstsucht."
- "Man hat die Realität in dem Grade um ihren Wert, ihren Sinn, ihre Wahrhaftigkeit gebracht, als man eine ideale Welt erlog." - "Aller Idealismus ist Verlogenheit vor dem Notwendigen."
Auch Nietzsches Verhältnis zu Christentum und durch moralisierende Priester ausgelegte Religion schlechthin ist für das Verständnis der Verse hilfreich:
- "Ich verurteile das Christentum. [...] Die christliche Kirche ließ nichts mit
ihrer Verderbnis unberührt, sie hat aus jedem Wert einen Unwert, aus jeder Wahrheit eine Lüge, aus jeder Rechtschaffenheit eine Seelen-Niedertracht gemacht." (Nietzsche, Der Antichrist, Kap. 62) - "Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung? auch Götter verwesen! Gott ist tot! Gott bleibt tot!" (Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, Drittes Buch, Kap. 125)
Man kann die Gedichte "Sternen-Mora" und "Ecce homo" als Aufruf zur Selbstbefreiung von der von Nietzsche so bezeichneten "Sklavenmoral" verstehen, d. h. von der Moral der "Vergewaltigten, Gedrückten, Leidenden, Unfreien, ihrer selbst Ungewissen und Müden", deren Zustand nur durch eine von Mitleid und Selbstlosigkeit beherrschte Moral erträglich sei. Die "Herrenmoral" (Nietzsche) hingegen, also "der Glaube an sich selbst, der Stolz auf sich selbst, eine Grundfeindschaft und Ironie gegen »Selbstlosigkeit«" mache den Geist des Menschen frei (Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse, Neuntes Hauptstück. Was ist vornehm, 260, und: Zur Genealogie der Moral, Dritte Abhandlung, 24, mit der Aussage: "Nichts ist wahr").
(Anm. d. Hrg.)
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Ernesto Handmann
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